Oktober-Erklärung + Finanzloch + Bestandsschutz

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

hinter uns liegt eine Woche wie eine Achterbahnfahrt: Immer hoch und runter – in einem irren Tempo, mit gelegentlichen Zwischenstopps! Kurz zurückgespult: Freitag – (vorerst) über 850 Mitarbeiter*innen setzen mit der Oktober-Erklärung ein eindrucksvolles Zeichen. Donnerstag: Interimsintendantin Vernau gewährt uns einen Einblick in ungeahnte finanzielle Abgründe. Dienstag: Gut 250 Kolleg*innen diskutieren auf der „Belegschaftsversammlung von Unten“ über die nächsten Schritte. Montag: Die Tarifverhandlungen über eine Beschäftigungssicherung treten auf der Stelle. Aber jetzt der Reihe nach…

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Erstmals nach Amtsantritt der Interimsintendantin sind Gewerkschaften und rbb am Montag wieder zusammengekommen, um die Tarifverhandlungen über eine Beschäftigungssicherung aka Bestandsschutz für freie Mitarbeiter*innen fortzusetzen. Die gute Nachricht: Es gab keine Vollbremsung von Seiten des rbb. Auch Frau Vernau scheint also grundsätzlich eine Einigung in der Sache anzustreben. Die schlechte Nachricht: Konkret ist es am Montag kein bisschen vorangegangen. Hauptstreitpunkt nach wie vor: Wann geht´s los mit der Beschäftigungssicherung? Die Gewerkschaften fordern den Einstieg in eine stufenweise anwachsende Honorargarantie nach sechs Jahren, der rbb will damit erst nach 12 Jahren anfangen. Zwar hat der rbb signalisiert, über den Einstiegszeitpunkt verhandeln zu wollen. Ein konkretes, neues Angebot legte er aber noch nicht vor. Hier die Stellungnahme der Gewerkschaften.

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Die Begeisterung der Bereichs-Freiensprecher*innen, die sich noch am Montagabend über das Ergebnis der Verhandlungsrunde informiert und ausgetauscht haben, hält sich erwartungsgemäß in Grenzen. In den meisten Redaktionen, Wellen und Bereichen sind die freien Kolleg*innen der Meinung: Nach diversen Kundgebungen, „Tagen des zweiten Standbeins“, einem ganztägigen Warnstreik und mittlerweile einem Jahr Tarifverhandlungen muss nun endlich mal ein Ergebnis her. Die Bereitschaft, mit weiteren Protestaktionen aufs Tempo zu drücken, sei sehr ausgeprägt, so das Feedback der Freiensprecher*innen.

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Immerhin: Die Beschäftigungssicherung kostet den rbb bei kluger und vorausschauender Personalplanung keinen Cent. Um andere wichtige Ziele wie einen Inflationsausgleich bei Honoraren und Gehältern oder die nächste Stufe beim Honorarrahmen Programm zu erreichen, wird dagegen wohl einiges an Protestbereitschaft nötig sein. Denn auch, wenn der angekündigte Kassensturz noch nicht abgeschlossen ist, deutet sich an, dass die neue Intendantin dabei wohl auf mehr „Löcher“ als „Käse“ stoßen wird. In ihren jüngsten Updates erläutert Frau Vernau, dass rund siebzig Millionen Euro, die der rbb eigentlich für die nächste Beitragsperiode zurückstellen müsste, bereits ausgegeben oder verplant seien. Vor diesem Hintergrund kündigt die Interimsintendantin an, den „Erfolg der bisherigen Programmstrategie zu evaluieren“.  

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Was sich hinter solchen Ankündigungen verbirgt, weiß die Freienvertretung aus zahllosen Sparrunden seit Gründung des rbb leider recht gut: Wenn Geld fehlt, drohen Einschnitte im Programm. Womöglich schon sehr bald, wenn die Intendantin die Frage aufwirft: „Was können wir schon im Jahr 2023 lassen?“. Was wir ebenfalls aus leidvollen Erfahrungen wissen: Hauptbetroffene bei Programmkürzungen sind meistens die Freien – beim nächsten Mal sollten wir dafür sorgen, dass Sparen auf unsere Kosten nicht der Weg des geringsten Widerstands ist!

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Nur zur Veranschaulichung: Das Finanzloch von 70 Millionen Euro entspricht in etwa der Brutto-Jahres-Honorarsumme für alle 1500 Arbeitnehmerähnlichen. Oder auch den Aufwendungen für die Altersversorgung der Festangestellten eines Jahres. Wir fragen uns, wie sich Einschnitte in diesen Dimensionen rechtfertigen lassen, wenn einige von denen, die für den ganzen Schlamassel mitverantwortlich sind, den Sender nach wie vor zu Rückstellungen für ihre exorbitanten Ruhegeldansprüche zwingen?    

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Deshalb ist die Aufforderung an die noch amtierenden Direktor*innen, nicht nur auf künftige Bonuszahlungen, sondern auch auf ihre „nachvertraglichen Ruhegelder“ und andere Privilegien zu verzichten, der erste und wichtigste Punkt der gemeinsamen „Oktober-Erklärung“ von Freienvertretung, Personalrat und Redaktionsausschuss. Außerdem fordern wir darin mehr Transparenz und Mitbestimmung auf allen Ebenen, die bei Bedarf auch gesetzlich verankert werden müssen. Diese gemeinsamen Forderungen stehen für die Mitarbeitendenvertretungen in der aktuellen Situation ganz oben. Sie sind quasi Minimalstandards für einen halbwegs glaubwürdigen Neubeginn im rbb – auch wenn es zweifellos noch viele weitere Missstände und Probleme gibt – etwa die Zwei-Klassen-Gesellschaft von Festen und Freien, fehlende Ressourcen im Programm, zweifelhafte Strukturen und Hierarchien etc. etc.

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Für den Entwurf der „Oktober-Erklärung“ gab es auf der „Belegschaftsversammlung von Unten“ am Dienstag mit über 250 Teilnehmer*innen schon viel Zuspruch. Um allen Kolleg*innen die Möglichkeit zu geben, sich zu der Erklärung und den darin aufgestellten Forderungen zu positionieren, haben wir kurzfristig zur Abstimmung aufgerufen. Die Resonanz finden wir beeindruckend: Bis Freitag, 14 Uhrknapp 48 Stunden nach dem Start der Abstimmung – haben 942 Mitarbeitende daran teilgenommen. 865 oder 92 Prozent der Teilnehmer*innen stimmen der Erklärung zu, jeweils vier Prozent haben mit „Nein“ oder „Enthaltung“ gestimmt. Die digitale Abstimmung ist so eingerichtet, dass nur rbb-Beschäftigte mitmachen und jeweils nur einmal abstimmen können. Dass einzelne aus technischen Gründen nicht teilnehmen können, bedauern wir das sehr, sehen aber keine praktikable und ähnlich aussagekräftige Alternative zu dem gewählten Verfahren.

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Auf Bitte einiger Kolleg*innen und weil Herbstferien sind, haben wir in Absprache mit Personalrat und Freienvertretung kurzfristig entschieden, die Abstimmung um eine Woche zu verlängern. Also: Wer noch nicht teilgenommen hat, sollte dies zügig nachholen. Machen wir die „Oktober-Erklärung“ zu einem kraftvollen Zeichen der gesamten Belegschaft!

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Weil uns viele Nachfragen dazu erreicht haben, zum Schluss noch ein Hinweis zum bevorstehenden Reformationstag. Dieser ist nur an den Standorten in Brandenburg ein Feiertag – wenn ihr dort am Montag im Dienst seid und euer Tageshonorar die Kappungsgrenze nicht übersteigt, habt ihr Anspruch auf einen Feiertagszuschlag. In Berlin gilt der 31.10. lediglich als „arbeitsfreier Tag“ – festangestellte Kolleg*innen, die an diesem Tag dort arbeiten, haben dafür an einem anderen Tag frei. Wir Freien haben zum Ausgleich dafür seit zwei Jahren Anspruch auf einen zusätzlichen Tag Urlaubsentgelt im Jahr.

Jetzt aber erstmal: Schönes (verlängertes) Wochenende!

Eure Freienvertretung

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