Sonderausgabe zum Warnstreik

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

besondere Zeiten erfordern besondere Newsletter. In dieser Sonderausgabe geht es – aus gegebenem Anlass – monothematisch ganz um das Thema „Warnstreik“.

+++

Wer am Sonntag (1. Mai) bei der Kundgebung auf der Masurenallee dabei war, hat es selbst gehört: Die Gewerkschaften haben ganz offiziell Warnstreiks im rbb angekündigt. Nicht wirklich überraschend, denn die Tarifverhandlungen zur Beschäftigungssicherung (aka #bestandsschutzfüralle) sind bereits im März gescheitert. Neue Termine hatten die Tarifparteien nach der letzten Runde gar nicht erst keine vereinbart, neue Angebote hat es auch nicht gegeben. Was die Geschäftsleitung seitdem unternommen hat, weiß die Freienvertretung leider nicht. Die Gewerkschaften haben in der Zwischenzeit ganz offensichtlich das getan, was Gewerkschaften so tun: einen Warnstreik vorbereiten.

+++

Seit Sonntag prasseln die praktischen Fragen jedenfalls auch auf die Freienvertretung ein. Wir verweisen dabei gerne auf die offiziellen Flugblätter der Gewerkschaften. Nur der guten Ordnung halber: Die Freienvertretung hat zwar eine klare Haltung zum Thema Bestandsschutz, würde aber niemals zu einem Streik aufrufen. Denn,  so die Regel Nummer 1: Arbeitskämpfe sind nicht nur grundgesetzlich geschützt, sie auszurufen ist in Deutschland den Gewerkschaften vorbehalten und nur den Gewerkschaften.

+++

(Faust-)Regel Nummer 2 leitet sich nicht so sehr aus der Verfassung ab, sondern aus dem Erfahrungsschatz der Gewerkschaften: Damit der Warnstreik für den Arbeitgeber tatsächlich eine Warnung wird, hat es sich bewährt,  möglichst kurzfristig dazu aufzurufen. Am Vortag oder auch direkt am frühen Morgen des Streiktags sind üblich. Dafür dauert so ein Warnstreik meist nicht lange, darum wird er auch „Kurzstreik“ oder „kurzfristiger Streik“ genannt. Oft geht es um eine bestimmte Schicht oder um einen Tag.

+++

Ganz genau überlegen müssen sich die Gewerkschaften zwar, ob sie nur bestimmte Bereiche bestreiken wollen (üblicherweise dort, wo die Missstände am größten sind) oder den ganzen Betrieb. Keine Rolle spielt dabei aber weder, ob die Beschäftigten fest angestellt sind oder frei, noch ob sie Mitglied einer Gewerkschaft sind oder auch nicht. Regel Nummer 3: Wenn die Gewerkschaft aufruft, dürfen alle streiken. Auch aus Solidarität.

+++

Nach so viel Theorie atmen viele erstmal tief durch, um dann die praktischen Dinge zu klären. Erste Frage: Bekommt man eigentlich Geld, wenn man streikt? Antwort: Eigentlich nicht. Denn wer streikt, arbeitet ja nicht, darum braucht einem der Arbeitgeber auch nichts zu bezahlen. Als gewissen Ausgleich hat die Evolution aber das Streikgeld hervorgebracht: Die Gewerkschaften legen für ihre Mitglieder jeden Monat ein paar Euro zur Seite, um die Lohnlücke im Streikfall auszugleichen. Aber wenn man nicht in einer Gewerkschaft ist? Praxistipp der Freienvertretung: Weil die Gewerkschaften sich immer über neue Mitglieder freuen und fest an langfristige Bindungen glauben, soll es sogar Angebote inklusive Streikgeld geben – selbst für Neumitglieder, die erst am Streiktag ihren Antrag ausfüllen. Fest steht aber: ohne Gewerkschaft kein Streikgeld. Ob der rbb seinen streikenden Angestellten tatsächlich das Monatsgehalt kürzt, wäre zwar für das Team Gehaltsabrechnung durchaus aufwändig – aber rechtlich möglich.

+++

Die zweite Frage kommt in mehreren Varianten: Darf ich wirklich einfach wegbleiben? Muss ich den Chef nicht wenigstens vorher fragen informieren? Oder: Darf der rbb mir wirklich keinen Ärger machen? Antwort, wenn auch schwer zu glauben: Nein, das darf er eben nicht. Streikrecht und Arbeitskampf rangieren im Grundrechte-Katalog des Grundgesetzes gleich neben Versammlungsfreiheit und Briefgeheimnis. Und das bedeutet ja wohl, äh… naja. Die Freienvertretung sagt es mal so: Wir sind immer wieder verblüfft, zu welch wunderlichen  Auslegungen z.B. des Sozialrechts oder der Tarifverträge der rbb kommt – aber dass ein Rundfunksender, der seine Existenz nur Artikel 5 verdankt, ein praktisches Problem mit Artikel 9 haben könnte, das kann sich die Freienvertretung einfach nicht vorstellen. Und falls doch, wisst ihr ja, an wen ihr euch wenden könnt ;-)

+++

Aber, dritte Frage, wo und wie erfahre ich eigentlich, ob mich die Gewerkschaft zum Streik aufruft? Antwort 1.0: Klassisch analog und nur vor Ort an den Streikposten vor den Eingangstüren des Senders, den Gewerkschaftsleibchen, Flugblättern und Streiklisten (fürs Streikgeld, s.o.). Antwort 2.0: Etwas digitaler und auch für den Streikaufruf im Homeoffice geeignet: Durch die E-Mail-Verteiler der Gewerkschaften (jeweils für die Mitglieder), durch den Verteiler der Orgagruppe #wirsindnichtda (für die dort Registrierten). Noch zeitgemäßer sind wohl nur Soziale Netzwerke (fka #flurfunk, Kolleg*innen). Und sollte die Freienvertretung einen Streikaufruf nicht gerade als letzte mitbekommen, geben wir diese Information natürlich gerne weiter.

+++

In eigener Sache: Wenn die Gewerkschaften zum Streik aufrufen, wird auch die Freienvertretung betroffen sein, sodass die übliche Erreichbarkeit eingeschränkt sein könnte. Vor Ort und ansprechbar sind wir natürlich trotzdem. Man sieht sich :-)

Jetzt aber erstmal: Einen schönen Arbeitstag.

Eure Freienvertretung