Liebe Kolleginnen und Kollegen,
besondere Tage erfordern besondere Newsletter. Der heutige Tag ist leider kein besonders guter: Die Tarifverhandlungen sind geplatzt. Statt eines verhandelbaren Angebots überbrachte die Delegation der Intendantin den Gewerkschaften – gar nichts: kein neues Angebot zum Honorarrahmen Programm, keins zum Thema Inflationsausgleich, keins für Tariferhöhungen. Tiefschlag insbesondere für langjährige Freie: Die für Montag verabredete Verhandlungsrunde zum Thema #bestandsschutzfüralle wurde auch gleich gestrichen.
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Ende der Vorstellung, nach einer Viertelstunde war alles gesagt. Neue Termine? Fehlanzeige. Frühestens „in der zweiten Februarhälfte“, ließ die Intendantin den konsternierten Gewerkschaftern noch ausrichten.
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Bei diesem Zeitplan gibt es leider nicht viel zu interpretieren: Mitte Februar will Frau Vernau ihre Kürzungspläne vorlegen bzw. („das Tischtuch ist zu kurz“) die Frage beantworten, welche Teile des Tisches sie endgültig absägen will. Wer unmittelbar vor so einer Entscheidung die laufenden Bestandsschutz-Verhandlungen absagt, will freie Hand, wenn die Späne fliegen. Nein, kein guter Tag heute.
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Und morgen? Die Gewerkschaften hatten schon im Dezember angekündigt, dass sie ohne seriöses Angebot für einen heißen Winter sorgen. Heute haben sie das nochmal bekräftigt. Auch bei diesem Wording gibt es nicht viel zu interpretieren. Die Freienvertretung rechnet jedenfalls nicht ernsthaft damit, dass sie morgen normal zur Arbeit geht, den Freitags-Newsletter gibt es daher schon heute – aus gegebenem Anlass mit allen möglichen Fragen und Antworten zum Thema „Streik“. Ähnlichkeiten mit dem Newsletter vom 4. Mai 2022 sind ausschließlich den ähnlichen Umständen geschuldet.
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Für die Basisinformationen verweisen wir natürlich am liebsten auf die offiziellen Flugblätter der Gewerkschaften. Nur der guten Ordnung halber: Die Freienvertretung hat zwar eine klare Haltung zum Thema Honorarrahmen und Bestandsschutz, würde aber niemals zu einem Streik aufrufen. Denn, so die Regel Nummer 1: Arbeitskämpfe sind nicht nur grundgesetzlich geschützt, sie auszurufen ist in Deutschland den Gewerkschaften vorbehalten und nur den Gewerkschaften.
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(Faust-)Regel Nummer 2 leitet sich nicht so sehr aus der Verfassung ab, sondern aus dem Erfahrungsschatz der Gewerkschaften: Damit der Warnstreik für den Arbeitgeber tatsächlich eine Warnung wird, hat es sich bewährt, möglichst kurzfristig dazu aufzurufen. Am Vorabend oder auch direkt am frühen Morgen des Streiktags sind üblich. Dafür dauert so ein Warnstreik meist nicht lange, darum wird er auch „Kurzstreik“ oder „kurzfristiger Streik“ genannt. Oft geht es um eine bestimmte Schicht oder um einen Tag.
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Weil es (anders als beim letzten Bestandsschutz-Streik im Mai) um die Tariferhöhungen für alle geht, müssen die Gewerkschaften nicht lange überlegen,welche Abteilungen und Bereiche zum Streik aufgerufen werden. Feste und Freie, Zeitverträgler und Auszubildende, ob programmgestaltend oder NPG – von den Tariferhöhungen profitieren alle. Es kommt nicht mal darauf an, ob man Mitglied einer Gewerkschaft sind oder auch nicht. Regel Nummer 3: Wenn die Gewerkschaft aufruft, dürfen alle streiken.
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Nach so viel Theorie atmen viele erstmal tief durch, um dann die praktischen Dinge zu klären. Erste Frage: Bekommt man eigentlich Geld, wenn man streikt? Antwort: Eigentlich nicht. Denn wer streikt, arbeitet ja nicht, darum braucht einem der Arbeitgeber auch nichts zu bezahlen. Als gewissen Ausgleich gibt es das Streikgeld: Die Gewerkschaften legen für ihre Mitglieder jeden Monat ein paar Euro zur Seite, um die Lohnlücke im Streikfall auszugleichen. Aber wenn man nicht in einer Gewerkschaft ist? Praxistipp der Freienvertretung: Weil die Gewerkschaften sich immer über neue Mitglieder freuen und fest an langfristige Bindungen glauben, soll es sogar Angebote inklusive Streikgeldes geben – selbst für Neumitglieder, die erst am Streiktag ihren Antrag ausfüllen. Fest steht aber: ohne Gewerkschaft kein Streikgeld. Ob der rbb seinen streikenden Angestellten tatsächlich das Monatsgehalt kürzt, wäre zwar für das Team Gehaltsabrechnung durchaus aufwändig – aber rechtlich möglich.
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Die zweite Frage kommt in mehreren Varianten: Darf ich wirklich einfach wegbleiben? Muss ich den Chef nicht wenigstens vorher fragen informieren? Oder: Darf der rbb mir wirklich keinen Ärger machen? Antwort, wenn auch schwer zu glauben: Nein, das darf er eben nicht. Streikrecht und Arbeitskampf rangieren im Grundrechte-Katalog des Grundgesetzes gleich neben Versammlungsfreiheit und Briefgeheimnis. Dass ein Rundfunksender, der seine Existenz nur Artikel 5 verdankt, ein praktisches Problem mit Artikel 9 haben könnte, das kann sich die Freienvertretung einfach nicht vorstellen.
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Aber, dritte Frage, wo und wie erfahre ich eigentlich, ob mich die Gewerkschaft zum Streik aufruft? Antwort 1.0: Klassisch analog und nur vor Ort an den Streikposten vor den Eingangstüren des Senders, den Gewerkschaftsleibchen, Flugblättern und Streiklisten (fürs Streikgeld, s.o.). Antwort 2.0: Etwas digitaler und auch für den Streikaufruf im Homeoffice geeignet: Durch die E-Mail-Verteiler der Gewerkschaften (jeweils für die Mitglieder) und natürlich auf der Internetseite rbbpro.de. Noch zeitgemäßer sind wohl nur Soziale Netzwerke (fka #flurfunk, Kolleg*innen).
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In eigener Sache: Wenn die Gewerkschaften zum Streik aufrufen, wird auch die Freienvertretung betroffen sein, sodass die übliche Erreichbarkeit eingeschränkt sein könnte. Vor Ort und ansprechbar sind wir natürlich trotzdem. Man sieht sich :-)
Eure Freienvertretung Probleme mit den Intranet-Links? Wer von außen auf das Intranet zugreift, ersetzt den URL-Anfang (https://intranet.rbb-online.de/) durch https://mein.rbb-online.de:11005/.