Störgefühle – Zukunftsprozess – Personalmangel

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in einer gestressten Belegschaft wie der unsrigen (s.u.) gehören Empfindungsstörungen wahrscheinlich dazu. Kribbeln, Taubheit, Missempfindungen – schwer zu sagen, ob das nochmal wieder weggeht. Da kann man Buhrow-Reden nachlesen, Stellanzeigen studieren („Augen auf bei der Berufswahl“) oder einfach nur zur Arbeit gehen – auch diese Woche bestand für die Freienvertretung vor allem aus einer Aneinanderreihung von Störgefühlen.

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Rechtlich okay, aber gefühlt ein bisschen wie im Endzeit-Film: Wenn man am Reformationstag an einem ganz normalen Montag in Berlin zur Arbeit kommt und praktisch keine Festen da sind. Schon richtig: Statt „arbeitsfrei“ haben die Freien ja Anspruch auf einen zusätzlichen Urlaubstag, das geht also völlig in Ordnung. Und die Freienvertretung malt sich freudig aus, wie wir vielleicht schon bald mal wieder einen Tag alle gemeinsam freinehmen …

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… aber wenn man zum Halloween-Mittagessen auf eine warme Kürbissuppe hofft und stattdessen vor einem verrammelten Casino steht, ist das schon ein bisschen gruselig. Ob vielleicht die WDR-Mahnung („keine Denkverbote“) jemanden auf den Gedanken gebracht hat, Freie würden sowas wie Mittagessen gar nicht brauchen … darüber denken wir lieber nicht weiter nach. Wir gehen eher von Gedankenlosigkeit aus. Oder von Überlastung. Denn nicht nur die Dienstpläne der aktuellen Redaktionen pfeifen auf den letzten Löchern, auch die zuständigen Kolleg*innen aus der Verwaltungsdirektion arbeiten an der Grenze der Belastbarkeit.

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Gestört ist dieser Tage auch das Zeitgefühl der Freienvertretung. Der Rücktritt von Frau Schlesinger – so viel ist seitdem passiert, ist das wirklich erst drei Monate her? Die Wahl von Frau Vernau – das war wirklich schon vor zwei Monaten? Immerhin: Heute in einer Woche soll endlich der vor einem Monat angekündigte Zukunftsprozess losgehen …

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… der Entscheidungskreis hat sich zumindest jetzt gefunden – und sieht durchaus nach einer runden Sache aus. Die Freienvertretung fühlt sich selbstverständlich gut darin vertreten. Und auch beim Blick auf die Entscheider*innen von der anderen Seite gibt es erstmal nichts zu meckern. Der Entscheidungskreis soll „Richtungsentscheidungen treffen“, „über Budgets entscheiden“ und „welche Maßnahmen umgesetzt werden können“. Wir drücken die Daumen …

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… und drücken und drücken. Und wer gedacht / gehofft / befürchtet haben sollte, dass der Zukunftsprozess den Prozess einfach so lange in die Zukunft schiebt, bis der Druck der Belegschaft irgendwann raus ist, hat sich jedenfalls geirrt. Über 1200 Kolleg*innen haben an der Abstimmung zur Oktober-Erklärung mitgemacht – das hätte die kleingläubige Freienvertretung niemals für möglich gehalten! 92 Prozent unterstützen das Forderungspapier: Mehr Mitbestimmung, Transparenz, flache Hierarchien – die Belegschaft hat jedenfalls unmissverständlich klargezogen, was sie vom Zukunftsprozess erwartet.

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Und auch wenn wir zuletzt mehr an Beratungsresistenz als an Einsicht gewöhnt waren: Manchmal wirken gute Argumente eben doch. Herzlich willkommen im rbb, Anja Mellage – und viel Erfolg als Leiterin der Intendanz! Dass die für maximal zwölf Monate gewählte Interimsintendantin diese Stelle mit AT-Vergütung (und gleich für drei Jahre) ausgeschrieben hatte, war ja nicht nur uns unangenehm aufgefallen. Nun will Mellage „zunächst“ auf den AT-Vertrag verzichten, bis der Verwaltungsrat (vermutlich im Dezember) entscheidet, welche Stellen künftig überhaupt AT-fähig sein sollen. Diese Bereitschaft ist ein gutes Zeichen, alles andere als selbstverständlich – und nicht ohne finanzielles Risiko. Denn wenn der Verwaltungsrat tatsächlich ernst machen will mit der Reduzierung von AT-Stellen, kann so eine Stabstelle kaum dabei sein.

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Frische Zahlen gefällig? Leider kaum gute. Wer ständig Dienstplanlücken stopfen soll und für unbesetzte Positionen mitarbeiten muss, hat ja schon lange den Eindruck, dass die Abwanderung weg vom rbb begonnen hat. Die Quartalszahlen der Personalabteilung sprechen dieselbe Sprache: Wir werden immer weniger, älter, kränker. Die Zahl der Arbeitnehmerähnlichen ist zum dritten Mal in Folge gesunken und hat einen historischen Tiefstand erreicht (Stand Ende September: 1413, langjähriger Mittelwert seit 2014: 1482). Die Zahl der Beschäftigungstage steigt im Durchschnitt an (zuletzt 177 Tage, langjährig: 165), wir werden immer älter (zuletzt 47,8 Jahre, 2014: 44 Jahre), die Zahl der Tage mit Zuschuss im Krankheitsfall hat einen Sprung gemacht (durchschnittlich 12,3 Tage, bis 2016 lag der Wert noch unter 6 Tagen). Die Techniker-Krankenkasse vermeldet für rbb-Freie unter ihren Mitgliedern einen Anstieg des Krankenstand von 2,6 Prozent (2019) auf 3,3 Prozent (2021) – was nicht an Corona liegt, bei den Festen ist der Krankenstand im selben Zeitraum von 5 auf 4,1 Prozent gesunken. Zumindest ein bisschen erfreulich: Die Zahl der Kollegen, die keinen Urlaub beantragt haben, ist deutlich gesunken (142, langjähriges Mittel: 169).

Jetzt aber erstmal: Schönes Wochenende!

Eure Freienvertretung Probleme mit den Intranet-Links? Wer von außen auf das Intranet zugreift, ersetzt den URL-Anfang (https://intranet.rbb-online.de/) durch https://mein.rbb-online.de:11005/.