Die Richtung stimmt – aber ….
Ein Jahr Patricia Schlesinger im Amt der Intendantin des rbb – das war ein aufregendes Jahr vor allem für die Fernsehredaktionen. Hier wurden nicht nur die Ärmel hoch-, sondern auch einiges Weitere umgekrempelt. In anderen Bereichen dagegen herrscht nach wie vor bedauerlicher Stillstand: Die Verhandlungen um die Tarifverträge der Freien sind gestoppt, die redaktionelle Ausstattung lässt vielerorts zu wünschen übrig. Und auch mit der Kommunikation steht es im Haus nicht immer zum Besten. Redakteursausschuss und Freienvertretung nehmen gemeinsam Stellung.
Viele gute Ideen, einige mutige Entscheidungen, der zunächst offen geführte Kommunikationsstil und das rasante Arbeitstempo haben uns durchaus beeindruckt. Ein Jahr Patricia Schlesinger – das war im Großen und Ganzen eine gute Zeit für den rbb und seine Beschäftigten. Nach Jahren der Stagnation und blockierten Entwicklungen weht wieder frischer Wind durch den Sender. Die erste, wichtige „Arbeitsprobe“ kam schon nach knapp drei Monaten: Mit ihrem Konzept für eine Fernsehprogrammreform hat Patricia Schlesinger längst überfällige Veränderungen angeschoben. Wir hoffen, dass die neuen und veränderten Formate mehr Zuschauerakzeptanz bringen. Das journalistische Profil muss aber insgesamt sicher noch stärker ausgebaut werden.
Den Mitarbeitenden mutet die Einstellung bzw. der Umbau von Sendungen auch einige Härten zu. Veränderungen führen oft zu Verunsicherung und – speziell bei den Freien – zu materiellen Einbußen: Etwa fünfzig freie Programmmitarbeiter_innen haben im Zusammenhang mit der Fernsehreform Beendigungs- oder Einschränkungsmitteilungen erhalten. Freie im Produktionsbereich müssen, je nach Gewerk, mit Auftragseinbußen von bis zu einem Drittel klarkommen. Dabei sehen wir durchaus das Bemühen der Geschäftsleitung, soziale Verantwortung für die betroffenen Freien zu übernehmen, z.B., indem ihre tariflichen Schutzrechte von vornherein mitgedacht und mit Kulanz soziale Härten abgefedert wurden. Und anders als bei den Sparrunden der „Ära Reim“ hoffen wir dieses Mal auf das versprochene Auftragsplus für Freie, wenn die Reform erst einmal umgesetzt ist. Im Gegenzug stellen sich die allermeisten Kolleg_innen den Herausforderungen, zeigen große Flexibilität, bringen ihre Ideen und Kreativität ein, damit die Reform gelingt.
Trotz des positiven Gesamteindrucks gibt es aber noch genug zu tun für Freienvertretung und Redakteursausschuss. In diesen Bereichen sehen wir dringenden Verbesserungsbedarf:
- Offenheit und Kommunikation: Die anfängliche Transparenzoffensive scheint ins Stocken geraten, der Flurfunk feiert wieder fröhliche Urstände. So wurde über den verschobenen Sendestart des Gesellschaftsmagazins erst mit großer Verspätung informiert, über angekündigte Konzepte z.B. für die Kultur ist nur wenig zu erfahren. Auch Zukunftsvisionen jenseits der Programmreform wie etwa die Schaffung eines einheitlichen „Newsrooms“ wabern vor allem als Gerüchte durchs Haus und schüren so Spekulationen und Ängste. Wir wünschen uns, dass auch über laufende Prozesse und Zwischenschritte wieder offen und zeitnah informiert und nicht erst nach getroffenen Entscheidungen Vollzug gemeldet wird.
- Redaktionelle Ausstattung: Auch wenn mit der Fernsehprogrammreform neue Akzente gesetzt werden sollen, darf die journalistische „Grundversorgung“ nicht aus dem Blick geraten: So beklagen landespolitische Redaktionen im Fernsehen und Hörfunk eine nicht hinnehmbare Überlastung, die stetig zunimmt. Ihnen stehen weder ausreichend Personal noch Mittel zu Verfügung, um eine umfassende und kontinuierliche Berichterstattung über regionale Politik dauerhaft zu gewährleisten und damit der öffentlich-rechtlichen Kontrollfunktion gerecht zu werden. Der Bereich „Investigatives und Hintergrund“ – der ehemalige, nach der Einstellung von Klartext vergrößerte Reporterpool – wird in seiner journalistischen Schlagkraft durch das Fehlen eines verantwortlichen CvDs Außerdem wird immer deutlicher, dass der dort geleisteten, hintergründig-journalistischen Recherche ein programmliches „Gefäß“ fehlt – Abendschau, Brandenburg aktuell oder Super.Markt erweisen sich dafür nur als bedingt geeignet.
- Tarifverträge für Freie: Mit dem Wechsel in der Intendanz schien neuer Schwung in die Verhandlungen um den so dringend benötigten Honorarrahmen Programm zu kommen, ein Abschluss nach jahrelangem Stillstand endlich vorstellbar. Jetzt ist der rbb wieder mal voll auf die Bremse getreten, hat die Verhandlungen für unbestimmte Zeit unterbrochen. Dabei brauchen wir den Tarifvertrag so dringend, um Ungerechtigkeiten und ständige Konflikte ums Honorar zu beenden! Immerhin erkennt der rbb endlich an, dass er die arbeitsrechtliche Lage der nicht-programmgestaltenden „Schein-Freien“ ändern muss – ein Erfolg der gewerkschaftlichen „Legalize it-Kampagne“, aber auch Folge eines neuen Pragmatismus der Geschäftsleitung nach Jahren der aggressiven Verdrängung. Allerdings gibt es auch hier einen Wermutstropfen: Dass die Beseitigung von offenkundigen Regelungslücken im 12a-Tarifvertrag etwa bei Krankheit, Elternschaft oder Altersvorsorge an die Einigung in den „Legalize-it“-Verhandlungen gekoppelt wird, ist ein massiver Affront! Trotz unterschiedlicher arbeitsrechtlicher Basis: Bei gleicher Arbeit müssen Feste und Freie vergleichbaren Schutz haben – dafür setzt sich die Freienvertretung ein.
- Zukunft: Wir vermissen Vorstellungen und Konzepte, wie der rbb mit der medialen Entwicklung Schritt halten will. Die Einschaltquoten aller großen Fernsehsender in Deutschland gehen zurück, inzwischen schauen nur noch etwas mehr als die Hälfte aller Zuschauer die großen Vollprogramme, andere Quellen wie kommerzielle Serien-Anbieter (Sky, Netflix, amazon prime etc.) oder Internetangebote haben dagegen großen Zulauf. Wie geht der rbb damit in Zukunft um und wie positioniert er sich auch in diesem Zusammenhang gegenüber den Verlegern und anderen großen Medienhäusern in Bezug auf seinen online-content? In diesem Kontext gibt es aus unserer Sicht viele Fragen, die dringend besprochen und entschieden werden müssten.
Freienvertretung & Redakteursausschuss