Compliance-Vorwürfe + Untersuchung + Journalist*innenstudie

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

„Bloss nicht langweilen!“ Zusammen mit unserem gekaperten Newsletter-Claim (s.o.) ist dieser Spruch seit Jahren das Leitmotiv des rbb-Marketings. Er wurde aber wohl noch nie so sehr mit Leben gefüllt wie in diesen Tagen – wenn auch sicherlich ganz anders, als es ursprünglich gedacht war und wir alle uns das gewünscht hätten: Nämlich nicht vor allem mit unserem eigenen, spannenden Programm, sondern mit den täglich neuen Vorwürfen und Enthüllungen rund um die mutmaßlichen Verfehlungen der Intendantin, undurchsichtige Beraterverträge und Baukosten-Schätzungen für das Digitale Medienhaus. Allein die Berichte über die von Schlesinger und Co. ausgeschlagene Einladung des Brandenburger Landtags umfassen sage und schreibe 62 Seiten im rbb-Pressespiegel!

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Tatsächlich bekommt auch die Freienvertretung Informationen über die vermeintlichen Missstände und Verfehlungen im rbb fast nur noch aus der Presse, nicht aus erster Hand. Angesichts der von der Intendantin versprochenen „größtmöglichen Transparenz“ und „klaren Faktenlage nach innen und außen“ finden nicht nur wir das ziemlich enttäuschend. Daran ändern auch die am heutigen Freitag im Tagesspiegel und im Inforadio veröffentlichten Interviews wenig – sie verstärken eher den Eindruck einer selektiven und zuweilen irrlichternden Kommunikationsstrategie. Immerhin: Erstmals räumt die Intendantin eigene Fehler ein und bietet an, dass über ihren neuen Vertrag mit um 16 % erhöhten Bezügen plus Boni noch einmal verhandelt werden könne. Ein Schritt in die richtige Richtung, der aber möglicherweise zu spät kommt, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.

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Informationshungrige Mitarbeiter*innen und Landtagsabgeordnete wurden in den vergangenen Tagen jedenfalls mit dem Verweis auf die unabhängige Untersuchung durch die Anwaltskanzlei Lutz und Abel vertröstet. Wir wissen zwar nicht, warum diese der versprochenen Transparenz und offenen Kommunikation entgegensteht, aber ja: Eine solche unabhängige Untersuchung ist richtig und notwendig. Zumal die Intendantin selbst einräumt, dass man „fast jeden Tag neue Fakten auf dem Tisch“ habe. Uns Journalist*innen muss man jedenfalls nicht sagen, wie wichtig die gründliche Recherche ist – notfalls eben auch im eigenen Haus. Am Dienstag hat uns ein Vertreter der Kanzlei erläutert, wie dabei vorgegangen werden soll – und wie auch wir Freien uns daran beteiligen können.

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Neben der Auswertung von Unterlagen soll nämlich die Befragung von Mitarbeiter*innen im Vordergrund stehen: Feste wie freie Kolleg*innen, die Informationen zu dem Komplex rund um Beraterverträge, Häppchenrunden oder Baukosten beizusteuern haben, sind aufgerufen, ihr Wissen mit den Anwält*innen von Lutz und Abel zu teilen. Diese Gespräche sollen auf freiwilliger Basis stattfinden, Beschränkungen wie etwa die Schweigepflicht über dienstliche Angelegenheiten aufgehoben und mögliche Hinweisgeber*innenvor Benachteiligung geschützt werden. Für Freie heißt das: Es soll keinesfalls eine Verminderung der Beschäftigung geben, weil sie Informationen an die Anwälte weitergegeben haben. Das will uns die Intendantin sogar schriftlich geben.

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Von der Einhaltung dieser Standards wird abhängen, ob die Untersuchung erfolgreich und damit ihr Ergebnis glaubwürdig sein kann. Angesichts des erschütterten Vertrauens vieler Kolleg*innen halten wir es trotz des angekündigten Schutzes vor Benachteiligung für wichtig, dass für die Gespräche absolute Vertraulichkeit zugesichert wird. So sollte der rbb nach unserer Überzeugung ohne Einwilligung der betreffenden Kolleg*innen gar nicht erfahren dürfen, wer mit den Anwälten spricht und welche Informationen dabei weitergegeben werden. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die Ankündigung, einen

anonymen Kommunikationskanal für Hinweisgeber*innen zu schaffen, die unerkannt bleiben wollen.

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Gut jedenfalls, dass sämtliche Planungen und Aktivitäten rund ums Digitale Medienhaus bis zur Aufklärung der Vorwürfe erstmal auf Eis gelegt wurden! Allerdings wüssten wir schon gerne, welche kostenwirksamen Entscheidungen denn womöglich schon getroffen wurden. Die unwidersprochenen Berichte über einen 31-Millionen-Euro-Kredit, den der rbb dieser Tage aufnehmen wollte, um bereits angefallene oder bald fällige Kosten rund um das Bauprojekt zu begleichen, tragen nicht gerade zur Beruhigung bei – genauso wenig wie die Meldung, dass der rbb mit Gesamtkosten von 185 Millionen Euro für das Medienhaus kalkuliere.

Die Ausführungen des Verwaltungsdirektors zum Thema werfen hier eher neue Fragen auf als klare Antworten zu liefern. Und auch die Intendantin hält sich zurück, was konkrete Zahlen angeht: Ein genehmigtes Kreditvolumen von 125 Millionen Euro, angebliche Sanierungskosten von 70-80 Millionen Euro – und immer wieder der Hinweis: Genaue Zahlen werde es erst im kommenden Sommer geben. Das ist ganz schön spät!

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Denn auch wenn die Intendantin verspricht, „kein Harakiri“ zu machen – aus leidvoller Erfahrung wissen wir: Wenn Geld fehlt, wird letztlich immer am Programm gespart – sprich: an den Honoraren der Freien. Auch deshalb müssen alle Zahlen – aktuelle Kostenkalkulationen, schon geleistete Zahlungen und bereits eingegangene vertragliche Verpflichtungen rund ums DMH – jetzt auf den Tisch!       

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Viele freie Reporter*innen berichten uns, wie sehr die Vorgänge beim rbb schon jetzt ihre Arbeit belasten. Bei ihren Einsätzen „da draußen“ werden sie mit Vorwürfen konfrontiert, spüren Rechtfertigungsdruck und Misstrauen. Das verschärft die ohnehin schon schwierigen Bedingungen, unter denen die Journalist*innen in Deutschland laut einer neuen Studie der Otto-Brenner-Stiftung arbeiten: Spardruck, digitaler Wandel und öffentlicher Vertrauensverlust verstärken demnach den Stress eines „sowieso schon durch hohe Beanspruchung gekennzeichneten Berufslebens.“ Das – sowie die zunehmende Sorge um journalistische Qualität und Jobsicherheit – erhöhen das Risiko für körperliche und psychische Erkrankungen, so die Studie. Dabei fühlen sich viele Medienschaffende von ihren Arbeitgebern mangelhaft unterstützt. Fast 60 Prozent der befragten Journalist*innen gaben deshalb an, in den vergangenen zwölf Monaten an das Aufgeben ihres Berufes gedacht zu haben. Die Freienvertretung empfiehlt dringend die Lektüre dieser dramatischen Momentaufnahme!

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Falls dieser Tage eine Mail mit dem Absender „WF-Batch“ euer Misstrauen erregen sollte: Es handelt sich nicht um einen gefährlichen Trojaner, sondern lediglich um eine Erinnerung an die „Pflichtschulungen Datenschutz und Informationssicherheit“, die nach den Festangestellten ab sofort auch alle arbeitnehmerähnlichen Freien absolvieren sollen. Und zwar in Form eines „E-Learning“, das 30-45 Minuten dauert und selbstverständlich innerhalb der bezahlten Arbeitszeit erledigt werden darf. Was passiert, wenn Ihr die Schulung nicht absolviert? Ihr bekommt eine Erinnerungsmail. Und dann noch eine. Und noch eine…

Noch Fragen? Antworten findet ihr hier.

Jetzt erstmal: Schönes Wochenende!

Eure Freienvertretung

Probleme mit den Intranet-Links? Wer von außen auf das Intranet zugreift, ersetzt den URL-Anfang (https://intranet.rbb-online.de/) durch https://mein.rbb-online.de:11005/.