Statement der Freienvertretung im Rundfunkrat

Meine Damen und Herren, sehr geehrte Mitglieder des Rundfunkrates.

ich danke für die Einladung. Eine Premiere heute in vieler Hinsicht. Wir sollen etwas schaffen, für das es keinerlei vergleichbares Vorbild gibt, nicht in der ARD oder anderswo. Eine enorme schwierige Aufgabe. Wir hatten uns ursprünglich eine einfachere Lösung gewünscht: die Erweiterung des Personalrates, so wie es andere ARD-Anstalten unternehmen. Zuletzt der SWR. Einfacher, pragmatischer, auch billiger, und vor allem auf allen Ebenen bewährter. Eine Lösung für die gesamte Belegschaft aus einem Guss.

Der Gesetzgeber wollte es anders. Kein Lamento. Wir haben uns auf das Experiment Freienvertretung eingelassen. Die Voraussetzungen waren nicht optimal. Aber ein kleines Wunder. Wir sind uns mit Argumenten begegnet und nicht mit Prinzipien. Es war ein Lernprozess für beide Seiten. Dieser Prozess wurde jedoch unterbrochen, als es zur Frage der Mitbestimmung kam. Wie soll man miteinander reden, wenn die andere Seite stumm bleibt, weil sie kein Mandat besitzt, um darüber reden zu dürfen. Wir wissen daher gar nicht, warum uns in diesen und jenen Punkten kein Mitbestimmungsrecht zugestanden werden kann.

Aus Prinzip eben. Weil wir anders sind, Freie und nicht Festangestellte. Aber sitzen in der Praxis Feste und Freie nicht sogar oft nebeneinander und üben die gleiche Tätigkeit aus? Der einzige Unterschied: die Freien bekommen für die gleiche Arbeit meist erheblich weniger bezahlt. Lange galt ebenso, rechtliche Prinzipen zwängen den RBB gegen seinen Willen zur Durchsetzung der Zwangspause. Doch über Nacht lösten sie sich plötzlich in Luft auf. Wer will das verstehen?

Weil unser rechtlicher Status ein ganz anderer sei? An unserer Seite stand mit Herrn Benno Pöppelmann ein sehr erfahrener und anerkannter Jurist vom DJV. Daher schrieben wir in unseren Entwurf nicht, was wir für wünschenswert halten würden, sondern nur das, was uns rechtlich möglich ist, das heißt wir haben die Mitbestimmungsrechte des Personalrates keineswegs eins zu eins auf uns übertragen.

Warum ist uns Mitbestimmung so wichtig, warum ist sie für die Zukunft des gesamten RBB so wichtig? Ich bringe hier nur einige wenige Beispiele.

Ein großes Thema ist Fortbildung. Immer wieder schreiben mich Kollegen an, erst vor wenigen Tagen. Eine neue Technik, ein neues Redaktionssystem wird eingeführt, Abläufe sollen optimiert werden. Die Mitarbeiter werden dazu geschult. Die Festen innerhalb ihrer Arbeitszeit und bezahlt, die Freien zusätzlich zu ihren Diensten und unbezahlt. Die wissen oft gar nicht, wie sie das zeitlich schaffen sollen und vor allem warum unbezahlt. Ich kann immer nur antworten, wir besitzen leider kein Mitbestimmungsrecht.

Umgekehrt brauchen wir aber auch ein Mitbestimmungsrecht, um überfällige Fortbildungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen. Eine ganze Generation geht in der ARD in den kommenden Jahren in Rente. Dazu muss man die Freien befähigen, Verantwortung zu übernehmen. Das heißt sie fortbilden. Denn freie Mitarbeiter füllen heute Stellen in den Sendern aus, die dafür nie geschaffen waren. Für den RBB bis heute kein Thema. Keinerlei Verantwortung für die freie Mitarbeiter, die teilweise schon länger als 20 Jahre für den RBB tätig sind. Muss er ja nicht. Das Angebot an neuen Mitarbeitern ist jederzeit groß genug.

Gesundheitsschutz. Alle leiden unter der zunehmenden Belastung und Über­forderung durch die Technik. Es kann doch aber nicht sein, dass die Freien den Gesundheitsschutz der Festen aushebeln, weil wir da kein Mitbestimmungs­recht haben. Bei Festen spricht der Personalrat mit, welche Gewichte z. B. die Kamerateams heben dürfen und welcher Strahlung sie bei den mobilen Übertragungs­modulen ausgesetzt werden, aber Freie haben jederzeit die Wahl sich selbst zu schädigen. Gleiches gilt für schwangere Frauen. Sie dürfen keine Frühdienste vor sechs Uhr übernehmen, als freie schon, wenn sie das Geld brauchen. Da wären wir schon bei der Gleichstellung von Männern und Frauen, wo wir auch kein Mitbestimmungsrecht haben sollen. Das gilt auch bei der Festsetzung von Dienst- und Produktionsplänen. Werden Freie hier benachteiligt, gerade wenn sie ebenso Familie haben, genauso abhängig von Schulferien und Kita-Zeiten sind?

Zu guter Letzt. Wie entwickelt sich ein Betriebsklima, wenn die eine Hälfte privilegiert ist, in allem besser gestellt ist, besseren Schutz, bessere Rechte, besseres Einkommen und die andere Hälfte systematisch benachteiligt wird? Das tut nicht gut. Für keinen. Abgründe tun sich hier auf. Konflikte werden am bequemsten dadurch gelöst, dass man sich einfach neue freie Mitarbeiter sucht. Auch hier muss eine Freienvertretung unter Umständen intervenieren, energisch nachfragen und auch mal nein sagen können, um die freien Mitarbeiter vor Benachteiligung zu schützen.

Stattdessen sieht es so aus: als freier Mitarbeiter ist es grundsätzlich besser, man geht jedem Konflikt von vornherein aus dem Weg. Deswegen streikten die freien Mitarbeiter von Antenne Brandenburg vor zwei Jahren auch nicht, als siegegen ihre journalistische Überzeugung einen schlechten Radioscherz durchführen mussten. Rechtlose, wirtschaftlich abhängige und dadurch jederzeit erpressbare Autoren produzieren eben nicht den engagierten Journalismus, den man von ihnen erwarten darf.

Die Arbeitsrealität im RBB ist schwer durchschaubar, nicht nur für Außenstehende. Nacht- und Feiertagszuschläge würden für uns generell gezahlt, steht in der Beschlussvorlage. Unsinn. Natürlich nur für einen bestimmten Teil der freien Mitarbeiter. Dies nur zu den unterschiedlichen Wahrheiten.

Mitbestimmung mag für eine Sendeleitung unbequem sein, aber sie erzeugt genau die Reibung, die eine so große Anstalt lebendig erhält, die sie zwingt, innovativ zu werden und Initiative zu ergreifen. Nur Mitbestimmung bringt auch Fortschritt. Mitbestimmung ist der Sauerstoff, den wir zum freien Atmen brauchen. Aber manche fürchten sich offenbar vor zu viel frischem Wind.

Über all diese Mitbestimmungsfragen, die uns auf den Nägeln brennen und die ganz konkret die Situation der freien Mitarbeiter betreffen, hätten wir eigentlich vorab in den Gesprächsrunden reden müssen. Doch wenn es uns da schon nicht möglich war, weil nicht erlaubt, wie will dann eine künftige Freienvertretung diese Probleme je anpacken? Ohne Mitbestimmungsrechte bleibt dieses Statut nur ein Stück Papier, eine Idee, die niemals mit Leben ausgefüllt wird. Wir sind es doch, die das umsetzen sollen und nicht ein paar Buchstaben. Deswegen muss dieses Statut heute von Ihnen abgelehnt werden, damit wir da weiter reden, wo wir bislang aufhören mussten.

Ich danke Ihnen nochmals, dass Sie mir hier so geduldig zuhörten. Dass Sie sich die Mühe machen, sich in diese schwierige Materie einzuarbeiten, um sich eine eigene Meinung dazu zu bilden. Anstrengende Gremienarbeit, die nur wenig Anerkennung findet. Sie würden diese Gremienarbeit aber niemals leisten, wenn der Rundfunkrat nicht an entscheidender Stelle auch ein Mitbestimmungs­recht besäße. Sie entscheiden über die Intendantenstelle. Und heute über das Freienstatut. Nur die Möglichkeit Nein zu sagen, macht Sie zu einer respektablen Vertretung. Es wäre ein paradoxes Ergebnis wenn Ihr Mitbestimmungsrecht dazu führt, dass uns diese Rechte weiterhin vorenthalten werden.

(Tomas Fitzel)