Erdbeben im Sender + Bestandsschutz + Aufklärungskommission

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Freienvertretung fällt es schwer sich vorzustellen, dass in diesem Newsletter irgendetwas stehen könnte, was ihr nicht sowieso schon alle wisst. Seit Anfang der Woche treffen sich virtuell tausende rbb-Kolleg*innen in den unterschiedlichsten Foren. Deshalb hier vielleicht der Versuch, den nicht für möglich gehaltenen Wahnsinn noch einmal zu bündeln.

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Seit dem Rücktritt von Patricia Schlesinger am vergangenen Sonntag liegt hier im Haus gefühlt kein Stein mehr auf dem anderen. Manche bezeichnen es als Erdbeben, andere als Stunde Null. Aber egal, welches Etikett man zu finden versucht: Erschütterung, Empörung, Fassungslosigkeit und Wut der Mitarbeitenden sind senderübergreifend riesig! Die größte Empörung hat die Information ausgelöst, dass für die Einsparungen im Programm und der damit verbundenen Beendigung von freien Mitarbeitenden – die Rede ist von zibb – auch noch ein Bonus bezahlt wurde. Die mit eben diesen Einsparungen verbundeneNeustrukturierung des Vorabends gehörte zu einem der Unternehmensziele. Mit Erreichen des Ziels gibt es einen Zuschlag. Der Programmdirektor hat das in seiner am Montag einberufenen virtuellen Programmdirektionssitzung zugegeben und in der Abendschau am gleichen Abend noch einmal bestätigt. Allerdings wird die Geschäftsleitung nicht müde zu betonen, dass es sich hier nicht um Sonderzahlungen handelt, sondern um eine sog. „leistungsorientierte Vergütung“. Nur wer die gesetzten Ziele erreicht, bekommt sein volles Gehalt. Dieses feinziselierte Belohnungssystem, das sich die Fa. Kienbaum bereits mit der Vorgängerintendantin ausgedacht hat, soll in der kommenden Woche ausführlich vorgestellt werden. Man habe leider bisher versäumt, das System transparent zu machen.Dumm gelaufen! #tobecontinued

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Wenn es bei der Programmdirektionssitzung schon hoch herging – getoppt wurde sie von der Belegschaftsversammlung am darauffolgenden Dienstag. Das virtuelle System kam an seine Grenzen, Teams war kurz vor dem Zusammenbruch, nachdem sich 1000 Leute eingewählt hatten. Rund 500 haben die Versammlung außerdem im Livestreamverfolgt. Wenn man behauptete, die Wellen schlugen hoch, dann wäre das die glatte Untertreibung. Das Netz „kochte“! Unter Federführung des neuen geschäftsführenden Intendanten, dem bisherigen Verwaltungschef Hagen Brandstäter, haben sich alle Direktoren den Fragen der Mitarbeitenden stellen müssen. Leider gab es nach Ansicht der Anwesenden zu wenige und dazu noch unbefriedigende Antworten.

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Wenn man der Krise überhaupt etwas Gutes abgewinnen will, dann ist es auf jeden Fall derSiegeszug des offenen Wortes. In einer nie dagewesenen Offenheit und Entschlossenheit haben die rbb-Kolleg*innen der Geschäftsleitung mitgeteilt, was sie von der der gegenwärtigen Situation halten – nämlich gar nichts! Nicht nur einmal wurde der Rücktritt von unterschiedlichen Direktor*innen gefordert. Denn immer wieder tauchte die Frage auf: „Welche Rolle spielen eigentlich die Mitglieder der Geschäftsleitung (…) wenn es ein System gibt, ist es unglaubwürdig, dass es die ehemalige Intendantin alleine aufgebaut und davon profitiert haben soll.“ Viel zu spät ist für viele die hausinterne Aufarbeitung losgegangen. „Da es dem Krisenmanagement des rbb bislang nicht gelungen ist, die Vorwürfe glaubwürdig und transparent zu entkräften, ist der Eindruck entstanden, dass die Springer-Presse oder der Tagesspiegel mehr zu Compliance und Revision im rbb beitragen, als der rbb selbst.“ 

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Das wollte Produktionsdirektor Christoph Augenstein wohl so nicht stehen lassen. Er lud am Donnerstag zur Direktionsversammlung. Und auch diesem Ruf folgten 400 Mitarbeitende, die nicht weniger aufgebracht waren als an den Tagen zuvor.  Ein Rücktritt, das machte Augenstein sehr schnell deutlich, komme für ihn aber nicht in Frage. Das sei nicht sein „Verständnis von Verantwortung“. „Die Säule der PUB wackelt, aber steht“, so der Produktionschef. Er trage die volle Verantwortung für den digitalen Umbau und das DMH. Dieses Eingeständnis machte viele der Anwesenden noch wütender.  Sie werfen ihm die das Zusammensparen im Technikbereich und den ihrer Meinung nach damit einhergehenden Qualitätsverlust vor. Dazu noch die steigende Arbeitsverdichtung und ein Mangel an Wertschätzung.

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Unsere eigene journalistische Aufarbeitung ist mittlerweile ja glücklicherweise losgegangen und hat bis jetzt schon sehr viel Respekt und Anerkennung von Journalistenkolleg*innen anderer Medien erfahren hat. Und auch von unseren Beitragszahlenden. Furchtlos, sachlich und entschlossen wird auf sämtlichen Wellen und Kanälen jeder Vorwurf seziert.  In erster Linie dient das dazu, die Reputation als seriöses Medienunternehmen gegenüber unseren Zuschauer*innen,  Hörer*innen und User*innenzurückzugewinnen. Das ist gut und kommt nach Meinung vieler deutlich zu spät. Die vielen Wochen ohne journalistische Reaktion aus dem rbb haben intern und extern viel Vertrauen gekostet, ist auf den Fluren zu hören.

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Und wie geht es jetzt intern weiterNicht ohne die Belegschaft, so viel ist klar! Das haben alle Personalvertretungen gemeinsam gleich nach dem Rücktritt unserer obersten Chefin in ihrerStellungnahme mehr als deutlich gemacht! Es muss einen radikalen Neuanfang geben, sind sich alle einig. Und das ist ganz offensichtlich von der amtierenden Geschäftsleitung auch verstanden worden. Heute hat Programmdirektor Jan Schulte-Kellinghaus Kontakt zu den Interessenvertretungen aufgenommen, um zu sondieren, wie die geforderte Aufklärungskommission arbeiten sollte – und vor allem: WER drin sitzen könnte/sollte. Das muss jetzt recht zügig geklärt werden und ihr könnt sicher sein, dass wir uns im Sinne der freien Kolleg*innen dabei sehr intensiv einbringen werden! 

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Trotz Krise, Skandal, Empörung und Aufklärungswille ist heute die Tarifverhandlung zur Beschäftigungssicherung (aka #bestandsschutzfüralle) für die freien Mitarbeitenden fortgesetzt worden. Und die Gewerkschaften haben sich uns gegenüber recht zufrieden gezeigt. Wie es tatsächlich gelaufen ist, könnt ihr der Stellungnahme von DJV und ver.dientnehmen. Noch gibt es wohl auf beiden Seiten Klärungsbedarf.  Jedenfalls ist der gemeinsame Wille geäußert worden, möglichst zügig zu einem Ergebnis zu kommen. Das klingt doch recht verheißungsvoll in diesen doch so düsteren Zeiten für uns alle!

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Und wer nach dem tagelangen Get-together per Teams mal in echt mit Kolleg*innen auf Tuchfühlung gehen möchte, die/der sollte sich jetzt schon mal den Termin am kommendenMontag, 15. August um halb vier freihalten. Wie die Freienvertretung erfahren hat, wollen Kolleg*innen sich vor dem HdR in der Masurenallee treffen, um den dort – nicht öffentlich – tagenden Rundfunkrat zu begrüßen. Entscheidungsempfehlungen für das Gremium können gerne auf Plakaten und Transparenten mitgeführt werden, schlagen die Kolleg*innen vor. 

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Nach dieser turbulenten Woche habt ihr euch aber alle erstmal

ein schönes Wochenende verdient!

Eure Freienvertretung

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