Beendigungen: Stellungnahme der Freienvertretung

Wegen Welle von Beendigungen und Kürzungen Anfang Oktober hat die Freienvertretung in den folgenden Wochen zum ersten Mal ihr Mitwirkungsrecht ausgeübt und dabei zwölf Einzelfälle überprüft, bei denen die Betroffenen das beantragt hatten. In allen Fällen hat die Freienvertretung der Intendantin konkrete Vorschläge gemacht, wie der rbb den Interessen der Betroffenen besser gerecht werden kann, ohne das Programm zu beschädigen. Insofern sich allgemeinere Schlussfolgerungen aus der Beschäftigung mit den Einzelfällen ergaben, hat die Freienvertretung bei der Intendantin Änderungen gefordert.

In diesen zwölf Einwendungen zu den Einzelfällen finden sich verschiedene Argumente regelmäßig wieder. Das resultiert zum einen aus der Ähnlichkeit der Einzelfälle, die alle aus derselben Beendigungswelle stammen und von den verantwortlichen Wellenleitungen (teilweise miteinander abgestimmt) ähnlich begründet wurden. Zum anderen macht die Beschäftigung mit den Einzelfällen deutlich, dass der rbb, zumindest soweit man die Erfahrungen verallgemeinern kann, bei der Beendigung freier Mitarbeiter in den folgenden Bereichen offenbar strukturell falsch aufgestellt ist.

  1. Eine Sozialauswahl findet bei Beendigungen nicht statt. In allen unseren Gesprächen haben die Verantwortlichen aus den Bereichen dies auch auf Nachfrage ausdrücklich bestätigt. Teilweise wird es offenbar sogar als Führungstugend verstanden, „ohne Ansehen der Person“ über die Zukunft eines Mitarbeiters zu entscheiden. Die Freienvertretung hat an die Intendantin appelliert, gegenüber allen Führungskräften klarzustellen, dass die arbeitnehmerähnlichen freien Mitarbeiter sozial schutzbedürftig sind und ihre individuelle soziale Situation Teil jeder Auswahlentscheidung sein muss.
  1. Diese soziale Blindheit benachteiligt in auffälliger Weise die eigentlich besonders schutzwürdigen Mitarbeiter: Väter und Mütter, die wegen der Betreuung ihrer Kinder berufliche Auszeiten nehmen (müssen). Bei Inforadio war dies sogar ein erklärtes Auswahlprinzip: Wenn schon gespart werden müsse, wolle man dies „am Rand“ der Redaktionen tun, um den „Kern“ der Redaktion nicht zu beschädigen. Am Rand finden sich aber gerade diejenigen wieder, die wegen ihrer familiären Situation nicht in Vollzeit arbeiten.
  1. Die tariflichen Regeln zum Schutz von Familien sind lückenhaft. Die Regelung in §6.2 des Tarifvertrags für arbeitsnehmerähnliche Personen sollte so gehandhabt werden, dass sie nicht die Beendigungsfristen aushebelt. rbb und Gewerkschaften haben 2008 darauf verzichtet, eine Altfallregelung vorzusehen – dies ist nachzuholen. Die Freienvertretung regt außerdem an, ein Monitoring einzuführen, mit dem ermittelt wird, wie sich die Wiederbeschäftigung nach Geburten bzw. Elternzeiten entwickelt. Ziel muss sein, dass Eltern, die aus familiären Gründen weniger für den rbb tätig sind, nicht dadurch so an den Rand gedrängt werden, dass sie um ihre Beschäftigung fürchten müssen. Regelungen zu diesem Zweck könnten im Rahmen eines Tarifvertrages getroffen werden, aber auch durch Vereinbarungen mit der Freienvertretung.
  1. Die akuten wirtschaftlichen Probleme der Bereiche sollen fast ausschließlich über die Etats für freie Mitarbeit gelöst werden. In keinem Gespräch hat ein Verantwortlicher uns gegenüber darlegen können, dass die akute Krise auch an anderer Stelle in seinem Bereich in nennenswertem Umfang Einsparungen zur Folge hätte. Unsere entsprechenden Nachfragen wurden sogar teilweise mit Unverständnis aufgenommen, so als seien die Freien-Etats nicht nur die einzige Möglichkeit zu Einsparungen, sondern auch ausdrücklich zu diesem Zweck vorgesehen. Der dabei immer wieder vorgetragene Einwand, das Kündigungsschutzgesetz gelte nun einmal nicht für freie Mitarbeiter, ist so banal-zutreffend wie verfehlt. Dass die Rundfunkanstalten arbeitnehmerähnliche Freie einsetzen können, soll ihr programmliches Abwechslungsbedürfnis gewährleisten, nicht aber betriebswirtschaftliche Probleme ausbügeln. Gerade ein Sender wie der rbb mit einem hohen Anteil an arbeitnehmerähnlichen Freien muss eine Führungskultur sicherstellen, in der die Existenz von Freien nicht als bequemer Puffer für akute Haushaltsprobleme gesehen wird, sondern als Gewährleistung der verfassungsmäßigen Rundfunkfreiheit.
  1. Mit großer Sorge sieht die Freienvertretung die Situation der freien Mitarbeiter beim Kulturradio. Die Wellenleitung hat vorgebracht, dass es nur in Ausnahmen freie Mitarbeiter gebe, die 10 Tage im Monat oder häufiger arbeiten. Mit 8 Diensten im Monat gelte ein Mitarbeiter als „Großverdiener“, 3 bis 4 Einsätze im Monat seien nicht ungewöhnlich. Diese Mitarbeiterstruktur birgt für die Betroffenen, aber auch den rbb hohe Risiken. Es gehört zum Wesen freier Mitarbeit, dass das Auftragsvolumen schwanken kann. Bleiben bei einem Vollzeit-Mitarbeiter 2 oder 3 der üblichen 20 Dienste für eine Weile aus, ist eine existenzielle Gefährdung nicht zu erkennen. Anders, wenn die Basis nicht 20, sondern 3 bis 4 Dienste sind.
    Aber auch für den rbb ist diese Mitarbeiterstruktur misslich: bei Spardruck wird eine sozialverträgliche Steuerung schwerer, weil auch geringe Kürzungen nur realisiert werden können, indem bereits prekär beschäftigte Mitarbeiter belastet werden. Dies hat dann auch programmlich Folgen: Der rbb hat sich entschieden, die rund 20 Dienste/Monat der neuen Kulturnachrichten auf 8 Mitarbeiter zu verteilen. Dies mag aus sozialer Sicht noch zu begrüßen sein, soweit dies für einzelne Mitarbeiter die Härten der Kürzungen zumindest abmildert. Dass diese Atomisierung des Redaktionsteams programmlich wünschenswert ist, ist dagegen äußerst zweifelhaft.

 

Darüber hinaus ist zum Verlauf der genannten Mitwirkungsverfahren folgendes festzuhalten:

Die Freienvertretung wurde mit den bereits ausgesprochenen Beendigungsmitteilungen unmittelbar nach ihrer Konstituierung Mitte Oktober 2014 konfrontiert. Obwohl das Statut zu diesem Zeitpunkt schon seit viereinhalb Monaten in Kraft war, gab es erhebliche Unsicherheiten über das Verfahren. In den drei Hörfunkwellen Fritz, Kulturradio und Inforadio hatten unseres Wissens rund 40 Mitarbeiter Beendigungsmitteilungen erhalten, ohne dass zuvor die Freienvertretung an diesen Maßnahmen mitwirken konnte.

Als besonders problematisch hat sich dabei die Regelung erwiesen, dass eine Mitwirkung der Freienvertretung nur auf Antrag der Betroffenen vorgesehen ist. Diese führt dazu, dass alle bereits ausgesprochen Beendigungsmitteilungen (gem. §6.4 bzw. §6.7 Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiter) schon deswegen als unwirksam betrachtet werden mussten, weil die Betroffenen keine Kenntnis dieser Maßnahme hatten und demzufolge keinen Antrag stellen konnten, sodass die Mitwirkung der Freienvertretung nicht erfolgen konnte.

Mit der Personalabteilung haben wir uns einvernehmlich auf ein provisorisches Verfahren verständigt, das vorsieht, zunächst das Mitwirkungsverfahren durchzuführen und im Anschluss gegebenenfalls die Beendigungsmitteilungen erneut auszusprechen. Leider war die Personalabteilung auch auf Aufforderung nicht bereit, die Betroffenen darüber zu informieren, dass die versandten Beendigungsmitteilungen schon wegen des Formfehlers unwirksam waren.

Die Freienvertretung missbilligt das ausdrücklich, denn obwohl wir alle uns namentlich bekannten Betroffenen von uns aus über die rechtliche Situation informiert haben, hätte es der Rechtssicherheit gedient, wenn der rbb offen sein Versäumnis kommuniziert hätte. Wie aus unseren angefügten Einwendungen zu den Einzelfällen ersichtlich wird, kann neben der Dauer auch der Beginn der Mitteilungsfrist wesentliche Auswirkungen auf den internen Abwägungsprozess bei betriebsbedingten Beendigungen haben. Für die Mitarbeiter ist es daher sehr wichtig, dass die Einhaltung der Frist nachvollziehbar und verlässlich ist.

Wir regen daher dringend an, das Statut unverzüglich anzupassen und nicht erst die parlamentarische Evaluation abzuwarten, denn auch nach dem Ende dieser Welle von Beendigungsmitteilungen ist davon auszugehen, dass die Mitwirkung der Freienvertretung in diesem ganz besonders sensiblen Bereich freier Mitarbeit regelmäßig eine Rolle spielen wird. Wie wir in mehreren Gesprächen mit der Personalabteilung bereits geltend gemacht haben, schlagen wir aus verschiedenen (auch verfahrenstechnischen) Gründen vor, die Antragsregelung fallen zu lassen, so dass generell jeder Beendigungsmitteilung ein Mitbestimmungsverfahren vorausgeht.